Erntedank – ein unerwartetes Geschenk

Gemütlich schlendere ich mit meiner kleinen Schwester Cäcilia über den Markt. Sie ist erst fünf Jahre alt und weiß noch nicht, was heute für ein besonderer Tag ist. Wir haben den ersten Sonntag im Oktober. Ihr wisst was das heißt? Genau! Wir feiern das Erntedankfest. Und das tun auch wir zwei. Heute Abend steigt bei uns eine Familienfeier nach dem gemeinsamen Kirchenbesuch. Alle sind eingeladen. Oma, Opa, Tante, Onkel…. Das wird so schön! Aber zuerst müssen wir ja noch ein paar Zutaten einkaufen. Überall sind Stände aufgebaut. Welche mit knallroten Äpfeln, Gurken und großen Kürbisse. So viel, dass man sich ja gar nicht entscheiden kann, was man nehmen soll. Plötzlich zupft mich Cäcilia am Ärmel: „Du, was feiern wir heute eigentlich?“ Schaut die kleine mich an. ,,Wir bedanken uns für die gute Ernte und die vielen Gaben der Natur“, versuche ich ihr zu erklären. Nachdenklich läuft sie weiter, ohne ein Wort zu antworten. Als wir weiterlaufen, sehen wir neben uns am Straßenrand, eine braunhaarige Dame, etwa 30 Jahre alt, mit einem Jungen, der kaum älter ist als Cäcilia. Sie haben zerlöcherte Jeans, dreckige Gesichter und so hilfesuchende Blicke…. Mir tun sie leid und meiner Schwester offensichtlich auch. Lange schaut sie Ihnen noch hinterher , so dass ich sie beinahe hinter mir herziehen muss. ,,Komm, wir müssen noch Lebensmittel kaufen“, meine ich zu ihr. Sie folgt mir wortlos. Als wir am Stand mit dem vielen leckeren Obst angekommen sind, fängt die Kleine an in ihre kleinen Taschen rumzuwühlen und zieht plötzlich ganz viel Rotgeld hinaus: ,,Hier! Ich bekomme zwar noch kein Taschengeld…das ist alles Geld, was ich habe. Ich brauche es nicht! Ich hab alles, was ich brauche und noch vieles mehr. Können wir der Frau und dem Kind etwas zu Essen kaufen? Bitte!“ Mit dieser Aussage drückt sie mir ihr GANZES Geld in die Hand! Sie kennt den Wert des Geldes nicht. Für sie ist es ALLES! Tief schaut sie mir in die Augen: ,,Bitte! Ich dachte, wir feiern die reiche Ernte… die haben wir, für uns selbstverständlich. Doch das ist es nicht! Für die beiden ist es das nicht…sie haben gar nichts.“ Solche Worte von einer 5 jährigen… ich bin mächtig stolz auf sie! ,,Mir fällt da etwas besseres ein! Aber wir müssen erst kurz mit Mama und Papa telefonieren“, erwidere ich und zücke schon im gleichen Moment mein Handy. Neugierig schaut die Kleine mich an. Was ich wohl vorhabe? ,,Kling, kling, kling…“, ertönt es. Bis…. Endlich hebt jemand ab! Unsere Mutter. Der Lautsprecher ist aus, das heißt Cäcilia bekommt nur mit, was ich sage…. Nach einem etwas längeren Gespräch lächle ich sie an :“ Komm, wir kaufen jetzt erstmal das Obst und gehen dann nochmal zu den beiden. Dann erzähl ich dir alles auf den Weg dorthin!“ Eifrig packt sie mit mir saftige Mandarinen, süße und saure Äpfel, viele rote Trauben und einen großen Kürbis ein. Lecker!

Kaum hatten wir die Dinge eingepackt, antworte ich ihr auch nun:,, Möchtest du die zwei vielleicht zum Essen einladen? Vielleicht freundest du dich ja mit dem Jungen an!“ ,,Auja !“ Sie strahlt mich mit ihren leuchtend großen Augen an …so wie ich es nicht so oft sah! Langsam geht sie nun näher zu dem Jungen :,,Hey möchtest du mit deiner Mama mit zu uns zum Essen kommen, dann kann ich dir auch mein neuen Ball zeigen und wir können spielen, Ich bin Cäcilia und das ist meine Schwester. Wie heißt ihr eigentlich?“ Der Junge zögert erstmal zu seiner Mutter hinüber, diese lächelt ihn nickend an. ,,Mein Name ist Philip. Dürfen wir wirklich mitkommen?!“ Ungläubig schaut mich seine Mutter an. Ich nicke freundlich und helfe dem kleinen Jungen nach oben. Philip und seine Mutter folgen und zunächst still. Doch Cäcilia versucht immer wieder spielerisch mit dem jungen Kontakt aufzunehmen. Dies gelingt ihr auch! Sie lachen zusammen! Jetzt sind wir auch schon bei uns Zuhause angekommen und meine Schwester stellt ihren neuen Freund gleich vor! Auch seine Mutter und unsere Mutter kommen gut ins Gespräch! Die Kinder spielen, toben und lachen. Cäcilia und Philip sind unzertrennlich geworden. Und auch Mama hat ihrer neuen Freundin geholfen denn sie hat den beiden eine Wohnung ganz in der Nähe besorgt! Auf unsere Kosten. Denn wie Cäcilia schon gesagt hat:“ Wir haben mehr als genug!“ Sei dankbar dafür, was du hast. Ein Dach überm Kopf, genug zu Essen vor allem so gesunde und wertvollen Dinge wie Obst und Gemüse und zu trinken und vor allem Menschen, die einen lieben. Schätze, was du hast. Was ist wirklich wichtig?